Prinzessinnen von Thorn
Die weiße Stadt Thorn sieht aus wie aus einer Postkarte, doch vor Jahrhunderten war sie die Heimat hochadeliger Frauen; Prinzessinnen, die ohne Klostergelübde lebten, aber mit Macht, Reichtum und Status. Ihre einzigartige Stellung machte Thorn zu einem der außergewöhnlichsten Orte Europas. Entdecke die Geschichte der Stiftsdamen, die Geschichte schrieben, Traditionen prägten und ihre Zeit nachhaltig beeinflussten.
Thorn: Vom Markt zur Mini-Fürstentum
Bereits im Jahr 1007 erhielt Thorn Markt- und Zollrechte, und im 13. Jahrhundert wurden Stadtrechte verliehen. Ab dem 12. Jahrhundert entwickelte sich das Stift Thorn zu einem weltlichen Frauenstift, in dem die klösterlichen Regeln flexibel ausgelegt wurden. Gleichzeitig wuchs die Stadt zu einem kleinen Fürstentum heran, das über acht Jahrhunderte von 33 Äbtissinnen regiert wurde, den sogenannten Stiftsdamen. Thorn hatte eine eigene Gerichtsbarkeit, prägte eigene Münzen und war teilweise von Mauern umgeben. Innerhalb der Mauern lag ein besonderes Gebiet, die Immunität, das zum Stift gehörte. Daneben gab es ein bürgerliches Zentrum, und im Norden der Stadt wurde Landwirtschaft betrieben.

Prinzessinnen an der Macht
Im 18. Jahrhundert standen Prinzessinnen und Gräfinnen im Mittelpunkt von Thorn. Nur unverheiratete Frauen aus hochadeligem Haus konnten Stiftsdame werden, vorausgesetzt, ihre Familiengeschichte rechtfertigte dies. Einmal aufgenommen, lebten sie in Luxus und Ansehen, mit Zugang zu den bekanntesten Höfen Europas wie Wien und Versailles. Sie empfingen Gäste in Thorn und bestimmten so selbst, welche Familien und Traditionen ihre Welt prägten.
Luxus und Regeln
Der Alltag der Stiftsdamen drehte sich um Eleganz und Status. Seidenkleider, Schmuck und künstlerische Aktivitäten gehörten dazu, doch heiraten durften sie nur gleichwertige Partner. Deshalb blieben viele Prinzessinnen unverheiratet. Cunegonda und Gabriëlla zum Beispiel heirateten nie, obwohl Cunegonda fast Kaiserin von Österreich geworden wäre.
Mehr als nur schön und höflich
Stiftsdamen repräsentierten nicht nur ihre Familien, sondern waren auch unternehmerisch und kulturell aktiv. Cunegonda investierte in Mautstraßen, Bergbau und die Eisenindustrie im Ruhrgebiet. Andere widmeten sich Kunst, Musik oder Reisen. Manchmal suchten sie ihre Freiheit um einen hohen Preis: Elisabeth infizierte sich mit einer Geschlechtskrankheit, als sie versuchte, die strengen Regeln ihrer Standes zu umgehen.

Thorn: Ein Knotenpunkt des europäischen Adels
Im 18. Jahrhundert war Thorn ein Zentrum des europäischen Adels. Die Stiftsdamen standen in Kontakt mit wichtigen Familien in ganz Europa, empfingen Gäste und wurden selbst von Fürstenhäusern besucht. So spielte die kleine Stadt eine bemerkenswerte Rolle auf der europäischen Bühne, regiert und geprägt von Frauen, die ihrer Zeit ihren eigenen Stempel aufdrückten.
Thorn damals und heute
Wer heute durch Thorn spaziert, kann noch Spuren dieser Geschichte entdecken. Der heutige zentrale Platz, De Wijngaard, war früher tatsächlich ein Weinberg mit weitläufigen Gärten, an deren Rückseiten die Hintertüren der großen Häuser lagen. Die eigentlichen Haustüren befanden sich an der Bachseite und waren über kleine Brücken erreichbar. Hinter diesen Türen lebten Frauen, die trotz aller Pracht auch gefangen waren in ihren Rollen und Verpflichtungen.
Unterwegs in Thorn
(The Milliner, 1746) François Boucher 1746 · Öl auf Leinwand · Bild-ID: 376991 · Rokoko · Nationalmuseum, Stockholm, Schweden / Bridgeman Images.
Diese Datei wurde dem Wikimedia Commons vom Nationalmuseum (Stockholm) im Rahmen eines Kooperationsprojekts mit Wikimedia Sverige zur Verfügung gestellt.Von Pietro Rotari - [1] [showUid]=46, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11995877